Gezeichnet habe ich schon immer“, lächelt Jamshid Ahmady. „Ich weiß, das erzählen alle Künstler, aber es stimmt halt“, fügt er noch hinzu. Wer seine Bilder betrachtet, will das gerne glauben. Mit Acryl auf Canvas und Spachteltechniken widmet sich der in Laer lebende und in Afghanistan geborene Künstler Motiven, die wie gemalte Echos von Geschichten erzählen, die seinen Lebensweg prägen. Zu sehen sind seine Arbeiten in der Ausstellung „Himmel und Alltag“ ab der Ausstellungseröffnung am 26. August um 19 Uhr im Büro von Bündnis90/Die Grüne Laer und Holthausen, Hohe Straße 34.
Erschütternde Nachrichten haben den Weg des 35 Jahre alten TV-Journalisten Jamshid Ahmady nach Laer bestimmt. Nachrichten einer Sorte, die für Menschen in unseren Breitengraden oft schon unter die Wahrnehmungsschwelle gerutscht sind. So oft ist in den vergangenen Jahren von Explosionen am Hindukusch berichtet worden, dass sie es heute nicht mehr in die Hauptsendezeit schaffen. Als Journalist und Nachrichtensprecher für den zweitgrößten afghanischen Privatsender 1 TV Media hat er viele solcher News „produziert“. Bis zu dem Tag als Journalisten wie er nicht mehr Berichterstatter sondern Gegenstand der Nachrichten geworden sind. Die Autobombe eines islamistischen Attentäters riss 2015 mitten in Kabul sechs seiner Kollegen und Freunde in den Tod. Ab da war für ihn klar: „Ich musste dieses Land verlassen, wenn ich überleben will.“
Sein Überlebenswille führte ihn 2015 mit seiner Frau nach Laer, wo ihre Tochter 2016 das Licht der Welt erblickte. Ihre Begleiter sind heute wie damals die täglichen Sorgen um ihre Verwandten und Freunde in Afghanistan. „Das tun schon weh“, legt Jamshid Ahmady seine Hand aufs Herz. Einmal wöchentlich telefoniert er nach Kabul, erfährt viel von Nöten und kann doch nur wenig helfen. In Deutschland verdient er den Lebensunterhalt als Gabelstapelfahrer für ein Unternehmen in Steinfurt. Im Laufe der Jahre eignet er sich neben Deutsch mit der Malerei noch eine weitere Sprache an. Pashto, Urdu und Englisch sprach er ohnehin schon. Zu verdanken hat er seine jüngste Sprache einem Zufall, der als Geschenk eines Laerers bei ihm ankam:ein Karton voller Acrylfarben und einige Leinwände. Dafür hat Jamshid Ahmady dem Absender drei Bilder gemalt und widmet sich seither in fast jeder freien Minute Farben, Pinsel, Leinwand und seinen Motiven.
Eines seiner Lieblingsmotive zeigt die Sema, den Ritualtanz der Sufis des Mevlevi-Ordens. Das Bild der tanzenden Derwische steht für eine Form der Anbetung. Ein Motiv, das in keinem Prospekt zu Reisen nach Anatolien fehlen darf. Ein gern genutzter Werbebotschafter für orientalisch vermarktete Produkte. Es hat sich im Sufismus indes seinen Kern bewahrt.
Das Wort Sema hat nicht nur die Bedeutung Himmel. Es bedeutet auch „hören“ und „zuhören, lauschen“. „Für die Tänzer geht es darum, die Verbindung zum Universum herzustellen, egal welcher Religion sie folgen“, erzählt Jamshid Ahmady Und dieser universelle Aspekt der Gottesverehrung fasziniert und inspiriert ihn schon lange.
Es geht nicht nur ums „Wirbeln“ um das eigene Zentrum. Es bedeutet eine Neigung zum Herzen hin. Dieser künstlerischen Haltung folgt Ahmady auch, wenn er andere Motive auf die Leinwand bringt. Sufis nehmen für sich in Anspruch, stets die Kultivierung bestimmter menschlicher Eigenschaften, wie Liebe, Mitgefühl, Harmonie oder Geduld zu betreiben. Dieser Botschaft fühlt sich Ahmady auch als Künstler verpflichtet. Ob im inneren Dialog mit den Bildern oder im Gespräch mit dem Künstler – die Besucher:innen der Ausstellung haben die Gelegenheit einiges zu erfahren über das Streben, das eigene Herz zu veredeln. Der Ortsverband B90/Die Grünen Laer und Holthausen freut sich auf viele Gäste am 26. August ab 19 Uhr im Büro an der Hohen Straße 34a. Geöffnet ist die Ausstellung auch am Sonntag, 28. August, von 11 bis 13 Uhr. Weitere Termine werden noch veröffentlicht.
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